Arbeitszeiterfassung Pflicht: Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen
08.01.2025 · Recht & Compliance
Arbeitszeiterfassung Pflicht: Was Arbeitgeber jetzt wissen müssen
Die Pflicht zur systematischen Arbeitszeiterfassung kommt – und das früher als viele denken. Was nach dem EuGH-Urteil von 2019 noch unklar war, wird nun konkret: Deutschland setzt die Vorgaben um. Doch was bedeutet das für Ihr Unternehmen?Die rechtliche Grundlage
EuGH-Urteil 2019
Der Europäische Gerichtshof hat am 14. Mai 2019 entschieden: **Alle EU-Mitgliedstaaten müssen Arbeitgeber verpflichten, ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten.** Die Begründung: Nur so können Arbeitsschutzvorschriften wie Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten wirksam durchgesetzt werden.BAG-Urteil 2022
Das Bundesarbeitsgericht hat am 13. September 2022 nachgelegt: Auch ohne konkrete gesetzliche Regelung sind Arbeitgeber schon jetzt verpflichtet, die Arbeitszeit zu erfassen.Gesetzliche Umsetzung 2024/2025
Das Bundesarbeitsministerium arbeitet an einer konkreten Regelung im Arbeitszeitgesetz. **Erwartet wird:**- Gesetzliche Pflicht ab Mitte 2025
- Konkrete Vorgaben zu Art und Umfang der Erfassung
- Bußgelder bei Nichteinhaltung
- Nachweispflicht bei Betriebsprüfungen
Wen betrifft die Pflicht?
Grundsätzlich alle Arbeitgeber
Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung gilt für:- ✅ Unternehmen jeder Größe
- ✅ Alle Branchen
- ✅ Gewerbliche und öffentliche Arbeitgeber
- ✅ Arbeitgeber mit Minijobber
Ausnahmen
Diskutiert werden derzeit Ausnahmen für:- Leitende Angestellte (§ 5 Abs. 3 BetrVG)
- Selbstständige und Freiberufler
- Geschäftsführer
Was muss erfasst werden?
Mindestanforderungen
Nach aktueller Rechtslage muss erfasst werden: 1. **Beginn der Arbeitszeit** - Zeitpunkt des Arbeitsbeginns - Bei mobilem Arbeiten: Ort optional 2. **Ende der Arbeitszeit** - Zeitpunkt des Arbeitsendes - Unterbrechungen dokumentieren 3. **Dauer der Arbeit** - Automatische Berechnung oder manuelle Eingabe - Ohne Pausen 4. **Pausen** - Bei mehr als 6 Stunden: mindestens 30 Min - Bei mehr als 9 Stunden: mindestens 45 MinWas muss NICHT erfasst werden
- Detaillierte Tätigkeitsbeschreibungen
- Private Tätigkeiten während der Arbeitszeit
- Gründe für Überstunden (optional)
Wie muss erfasst werden?
Zulässige Methoden
Der Gesetzgeber macht keine konkreten Vorgaben zum "Wie". **Erlaubt sind:** **Papierbasiert:**- Stundenzettel
- Arbeitszeitkonto
- Excel-Listen
- Spezialsoftware
- Mobile Apps
- Stempeluhren
- Manipulationssicher sein
- Zeitnah erfassen
- Leicht zugänglich sein
- DSGVO-konform sein
Empfohlene Methode: Digital
Digitale Systeme bieten entscheidende Vorteile: ✅ **Automatische Berechnung** von Stunden und Pausen ✅ **Manipulationssicher** durch verschlüsselte Speicherung ✅ **Rechtssicher** durch lückenlose Dokumentation ✅ **Zeitersparnis** für Verwaltung ✅ **Mobile Erfassung** für Homeoffice und AußendienstWelche Strafen drohen?
Bußgelder
Bei Verstoß gegen die Arbeitszeiterfassungspflicht drohen:- Bis zu **30.000 €** Bußgeld
- Bei wiederholten Verstößen: Höhere Strafen
- Persönliche Haftung der Geschäftsführung
Weitere Konsequenzen
- Beweislast bei Streitigkeiten
- Nachzahlungen für nicht erfasste Überstunden
- Imageschaden
- Betriebsratsbeschwerden
Datenschutz: DSGVO beachten
Was ist zu beachten?
1. **Zweckbindung:** Zeitdaten nur für Arbeitszeiterfassung nutzen 2. **Zugriffsrechte:** Nur berechtigte Personen dürfen Daten einsehen 3. **Aufbewahrungsfristen:** Daten nach 2 Jahren löschen (außer bei Streit) 4. **Mitarbeiterinformation:** Transparente KommunikationBetriebsrat einbinden
Bei Einführung eines Zeiterfassungssystems hat der Betriebsrat **Mitbestimmungsrecht** (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG). **Betriebsvereinbarung sollte regeln:**- Art und Umfang der Erfassung
- Zugriffsrechte
- Datenschutz
- Kontrollmechanismen
Praktische Umsetzung: 5-Schritte-Plan
Schritt 1: Ist-Analyse (Woche 1-2)
- Wie viele Mitarbeiter sind betroffen?
- Gibt es bereits ein System?
- Welche Arbeitsmodelle existieren (Büro, Homeoffice, Außendienst)?
- Was sagt der Betriebsrat?
Schritt 2: System auswählen (Woche 3-4)
- Budget festlegen
- Anforderungen definieren
- Anbieter vergleichen
- Testphase vereinbaren
Schritt 3: Betriebsvereinbarung (Woche 5-6)
- Betriebsrat informieren
- Verhandlungen führen
- Datenschutz-Konzept erstellen
- Betriebsvereinbarung unterzeichnen
Schritt 4: Einführung (Woche 7-10)
- Mitarbeiter schulen
- Testphase mit kleiner Gruppe
- Feedback einholen
- Anpassungen vornehmen
Schritt 5: Go-Live (Woche 11-12)
- Vollständiger Roll-out
- Parallelbetrieb alter Systeme (2 Wochen)
- Kontinuierliche Optimierung
Häufige Fragen (FAQ)
Muss ich als Kleinunternehmer auch erfassen?
**Ja.** Die Pflicht gilt unabhängig von der Unternehmensgröße. Auch Kleinunternehmer mit nur einem Mitarbeiter müssen erfassen.Was passiert mit Vertrauensarbeitszeit?
Vertrauensarbeitszeit in der bisherigen Form (keine Erfassung) ist nicht mehr zulässig. **Aber:** Mitarbeiter können ihre Zeit selbst erfassen – Vertrauen bleibt.Gilt die Pflicht auch für Homeoffice?
**Ja.** Auch im Homeoffice muss die Arbeitszeit erfasst werden. Digitale Lösungen mit mobiler App sind hier ideal.Was ist mit Geschäftsführern?
Geschäftsführer einer GmbH sind in der Regel nicht arbeitszeitgesetzlich geschützt. **Aber:** Aus Haftungsgründen kann freiwillige Erfassung sinnvoll sein.Wie lange müssen Daten gespeichert werden?
**Mindestens 2 Jahre.** Bei laufenden Rechtsstreitigkeiten kann eine längere Aufbewahrung notwendig sein.Checkliste: Sind Sie vorbereitet?
- [ ] Anzahl betroffener Mitarbeiter ermittelt
- [ ] Aktuelles System auf Rechtssicherheit geprüft
- [ ] Budget für digitale Lösung eingeplant
- [ ] Betriebsrat informiert
- [ ] Datenschutz-Konzept erstellt
- [ ] Software-Anbieter verglichen
- [ ] Testphase geplant
- [ ] Mitarbeiter-Schulungen vorbereitet
- [ ] Betriebsvereinbarung verhandelt
- [ ] Go-Live-Termin festgelegt
Fazit: Jetzt handeln, Bußgelder vermeiden
Die Arbeitszeiterfassungspflicht kommt – spätestens 2025, faktisch schon jetzt. Wer frühzeitig handelt, vermeidet:- Bußgelder bis 30.000€
- Nachzahlungen für nicht erfasste Überstunden
- Stress bei Betriebsprüfungen
- Rechtsstreitigkeiten mit Mitarbeitern